Wer an Datenbrillen mit zusätzlichen Funktionen der Augmented Reality denkt, hat häufig große und klobige Geräte im Sinn. Dafür, dass solche Brillengläser dünner, biegsamer und insgesamt ergonomischer werden, legt das VIP+-Projekt „TransMikro“ mit neuen halbtransparenten Displays den Grundstein. Wir haben mit Projektleiter Philipp Wartenberg vom Fraunhofer IPMS über diese Innovation gesprochen.
Frage: Sie haben eine Methode entwickelt, um Displays beispielsweise für Datenbrillen erheblich zu verbessern. Worin liegt genau die Verbesserung?
Philipp Wartenberg: Bisherige Mikrodisplay-Ansätze mit Silizium CMOS-basierenden backplanes, z.B. OLED oder uLED, sind intransparent. Für AR-Anwendungen ist es daher erforderlich, über einen „Combiner“ das virtuelle Bild optisch dem realen Bild zu überlagern. Hierfür gibt es verschiedene Ansätze – beispielsweise mit einem Strahlteiler, einem Prisma oder einer Waveguideoptik. Alle Ansätze gehen mit erheblichen Einschränkungen einher – sei es Bauraum, Gewicht oder Verluste im optischen Pfad, die elektrisch kompensiert werden müssen und damit die Batterielaufzeit deutlich reduzieren. Unsere Grundidee ist, durch die Entwicklung eines semitransparenten Mikrodisplays dieses selbst zum Combiner werden zu lassen und damit hinsichtlich der Optik neue, kleinere und effizientere Ansätze zu ermöglichen, welche sich perspektivisch direkt in ein Brillenglas integrieren lassen.
Ist es messbar, um wieviel transparenter, dünner und biegsamer Ihre Displays sind als bisherige?
Philipp Wartenberg: Unsere ersten Machbarkeitsergebnisse lagen bei einer Transparenz von ca. 20 Prozent für ein festgelegtes optisches Design. Durch weitreichende technologische Verbesserungen konnten wir mit dem gleichen Design kürzlich erstmals 45 Prozent Transparenz zeigen und haben damit bereits einen wichtigen Meilenstein des Projekts erreicht. Bei der Biegsamkeit erreichen wir bisher ca. 10 cm Biegeradius und arbeiten aktuell intensiv an Technologien zur Verbesserung und erhoffen uns Fortschritte bis ca. 4.5 cm. Je kleiner der Biegeradius, umso kompakter kann die Optik und damit das System in der Anwendung sein. Das Ziel des Projekts TransMikro ist ein voll funktionstüchtiges transparentes und gekrümmtes Mikrodisplay, dessen Einsatz beispielsweise in Datenbrillen möglich wäre. Hierauf liegt der Fokus im Projekt. Perspektivisch ist jedoch auch der Einsatz in noch kleineren und biegsameren Anwendungen wie Kontaktlinsen denkbar.
Welche Eigenentwicklungen kommen bei Ihnen zum Einsatz?
Philipp Wartenberg: Bisher sind weltweit keine selbstemittierenden, transparenten und gebogenen Mikrodisplays bekannt. Wir haben deshalb bereits ein erstes Patent eingereicht. Das Fraunhofer IPMS hat sich eine weitreichende Wissensbasis auf dem Gebiet des Designs und der Herstellung von Mikrodisplays basierend auf klassischen Halbleitertechnologien mit darauf aufgebrachten Schichten für organische Leuchtdioden (OLED) erarbeitet. Die Displays wurden mit verschiedenen elektrischen Ansteuerungen, Technologien und Halbleiterherstellern realisiert und in unterschiedliche Anwendungen überführt. In Near-To-Eye-Anwendungen (NTE) wie bspw. Datenbrillen wird der Displayinhalt dabei typischerweise über eine Optik in das Sichtfeld des Nutzers projiziert. Mit der neuen transparenten Technologie schaffen wir hier eine weitere Möglichkeit für die AR-Systeme der Zukunft.
Welche Vorteile hat diese Produktion Ihrer Displays und welche Herausforderung ergeben sich noch?
Philipp Wartenberg: Bei der Prozessentwicklung für die Herstellung der transparenten Mikrodisplays legen wir großen Wert auf die Verwendung etablierter Halbleiterprozesse. Dies stellt die spätere Skalierbarkeit der Technologie sicher. Die besondere Herausforderung besteht in der Stabilisierung und Optimierung der Prozesse sowie in der Erforschung des Einflusses auf die Bauelementparameter durch den Transparenzprozess selbst bzw. durch den mechanischen Stress bei der Biegung der Mikrodisplays. Für letzteres freuen wir uns, dass das Fraunhofer IIS mit dem Standort EAS in Dresden als Projektpartner mit seiner ausgewiesenen Expertise im Bereich der Bauelementcharakterisierung und Modellierung im Projekt engagiert ist.
Welche Rolle spielt die Förderung mit Mitteln aus VIP+ für das Projekt?
Philipp Wartenberg: Die VIP+ Förderung unterstützt maßgeblich die Erforschung und Validierung der transparenten und gebogenen Mikroelektronik. Der Fokus liegt hierbei auf der Stabilisierung und Optimierung des hochkomplexen Prozessflusses, um so die Technologie zukünftig einer breiten Kundenbasis anbieten zu können. Das Projekt verknüpft dabei eine komplexe Technologieentwicklung mit den theoretischen Betrachtungen der Bauelementmodellierung – beides Kernaspekte für eine erfolgreiche Validierung.
Was sind Ihre nächsten Schritte und Perspektiven in Richtung Anwendung?
Philipp Wartenberg: Das Konsortium hat unter seinen Bestandskunden eine Abfrage des Interesses an einer solchen Technologie durchgeführt – und die Rückmeldungen waren überwältigend. Dies konnte auch durch zahlreiche Konferenzauftritte weiter untersetzt werden – auch im internationalen Raum wie zuletzt der SID DisplayWeek (einer internationalen Display-Fachveranstaltung in den USA) sowie der IMID (einer auf Displays fokussierten Konferenz in Korea). Nach der erfolgreichen Validierung hoffen wir also auf einen schnellen Weg in die Industrie in einem Zeitraum von weniger als drei Jahren. Das Potenzial der transparenten und gebogenen Mikroelektronik ist riesig, auch wenn wir im Projekt den Fokus erst einmal nur auf Datenbrillen setzen. Diese Displays sind potenziell auch geeignet für Ferngläser, Sucher oder Mikroskope sowie intelligente Kontaktlinsen, wobei die Technologie zukünftig auch weitere Applikationen wie beispielsweise gebogene Sonden für optogenetisch konditionierte Neurostimulation ermöglichen könnte.
Kontakt
Philipp Wartenberg
Fraunhofer-Institut für Photonische Mikrosysteme (IPMS)
+49 351 8823-386
Philipp.Wartenberg@ipms.fraunhofer.de
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