Validierung eines Konzepts zur dreidimensionalen und mobilen Mikroskopie führt zur Hochschulausgründung Inspico

Validierung eines Konzepts zur dreidimensionalen und mobilen Mikroskopie führt zur Hochschulausgründung Inspico

Atomsonde mit miniaturisiertem, mobilen Messkopf zur Analyse von Materialien mit atomarer Auflösung in 3D
Atomsonde mit miniaturisiertem, mobilen Messkopf zur Analyse von Materialien mit atomarer Auflösung in 3D© Universität Stuttgart, Lehrstuhl für Materialforschung

Interview Partner: Dr. Patrick Stender Sr. Wissenschaftler am Institut für Materialwissenschaft der Universität Stuttgart und Mitgründer von Inspico

Im VIP Vorhaben „MikroTAP“ haben sie einen mobilen Messkopf für die Atomsondentomographie validiert, der in bestehende Mikroskope integriert werden kann. Können Sie in einfachen Worten kurz erläutern, was das für ein Verfahren ist und warum es so spannend ist?

Unsere moderne Technologie verdankt ihre stetigen Leistungssprünge der anhaltenden Miniaturisierung. Moderne Computerchips besitzen bereits heute funktionale Strukturen in der Größe von 7 nm. In einem Würfel mit einer Kantenlänge von 1 nm befinden sich grob geschätzt nur 100 Atome. Die Funktion dieser Strukturen beruht damit auf der korrekten Anordnung weniger Atome. Außerdem verändern Materialien mit abnehmender Größe auch ihre Eigenschaften, wie ihren Schmelzpunkt oder ihre elektrischen Eigenschaften. Die Nanotechnologie ist gleichzeitig bemüht neue Techniken und Materialien mit außergewöhnlichen Eigenschaften zu erschaffen.

Um solche Strukturen zu untersuchen, z. B. für die Suche nach Defekten oder um bestimmte Eigenschaften zu verstehen, benötigt man besondere Hochleistungsmikroskope. Will man nicht nur die Anordnung der Atome sehen, sondern auch noch wissen, was die chemische Natur jedes einzelnen Atoms ist und das Ganze auch noch mehrdimensional betrachten, so benötigt man die Atomsondentomographie. Diese spezielle Mikroskopietechnik erzeugt dreidimensionale Computerbilder mit einer Vergrößerung von einer Million. Gleichzeitig wird für jedes Atom bestimmt, von welcher Spezies es ist: ob es ein Eisen, ein Silizium oder Kohlenstoffatom ist.

Die Atomsondentomographie nimmt dabei Proben Atom für Atom auseinander. Es ist ein bisschen wie Erbsenzählen. Anstatt die Atome mit den Fingern zu greifen, was nicht möglich ist, benutzen wir extrem hohe elektrische Felder (50V/nm) und sehr kurze, gepulste ultraviolette Laserstrahlen (200fs). Die Atome verdampfen kontrolliert und fliegen mit hoher Geschwindigkeit auf einen Detektor, der einzelne Atome registrieren kann. Aus der Zeit, die das Atom zum Erreichen des Detektors benötigt, kann die Masse, die chemische Identität berechnet werden. Ein schweres Atom - nennen wir es „LKW“ - braucht länger für eine bestimmte Strecke als ein leichtes Atom, also ein „PKW“. Jedes Atom wird in ein dreidimensionales Computermodell eingebaut. Wenn man nun sehr viele Atome gemessen hat, ergibt sich so ein dreidimensionales Bild der Probe. Sie sind den Bildern eines MRT Scans recht ähnlich, nur mit atomarer Auflösung. Dadurch kann man Vorgänge im atomaren Bereich verstehen, was gerade im Bereich der Nanotechnologie und der Halbleitertechnologie sehr wichtig ist.

Worin liegen genau die Innovation und der Vorteil gegenüber herkömmlichen Verfahren?

Mikroskope für die Atomsondentomographie sind sehr kostspielig. Zusätzlich müssen die Proben aufwändig präpariert werden. Die fertigen Proben sind wiederum extrem empfindlich und insgesamt ist es ein zeitaufwändiger Prozess. Ganz zu Beginn war die Atomsondentomographie auf die Analyse von Metallen beschränkt. Technische Weiterentwicklungen haben den Anwendungsbereich der Methode erweitert. Durch unsere innovative Anordnung einer Atomsonde auf einem mobilen Messkopf, der in vorhandene Geräte integriert werden kann, können auch besonders empfindliche Proben ohne weiteren Aufwand gemessen werden, da sie im gesamten Prozess geschützt sind.
Dies erlaubt einen schnelleren, kostengünstigeren und genaueren Blick auf die spannende Welt der Nanomaterialien.

Welche konkreten Anwendungen oder Bereiche lassen sich mit ihrer Innovation vereinfachen, beschleunigen und wo erwarten sie Weiterentwicklungspotenziale?

Anwendungsbereiche gibt es mehrere.

Relevante Beispiele aus der Praxis sind mikroelektronische Bauteile. Sind solche Bauteile in Betrieb, sind sie thermischen Einflüssen ausgesetzt. Bei Strukturen im Nanometerbereich können sich durch die Wärme Atome bewegen. Oft reichen wenige Atome an der falschen Stelle, um zum Funktionsverlust zu führen. Diese Veränderungen können gemessen werden und mit den gewonnenen Erkenntnissen können die Bauteile entsprechend verbessert werden, so dass sie ihre Funktion länger erhalten.

Biologische Proben können bisher nur sehr schwer untersucht werden. Diese Proben müssen permanent mit flüssigem Stickstoff gekühlt und vor der Atmosphäre geschützt werden. Mit dem neuen Messkopf können wir eine geschlossene Kühl- und Vakuumkette realisieren und erproben nun die Messungen von biologischen Systemen. Besonders spannend sind für uns chemische Prozesse an Grenzflächen in diesen Systemen. Wo genau werden z. B. Proteine innerhalb einer Struktur gebildet? Wie und wo reagiert ein Medikament innerhalb eines Zellteils? Kommt das Mittel dort an, wo es eigentlich hinsollte? Die Strukturanalyse kann man gut mit dem Cryo Transmissionselektronenmikroskop durchführen, was 2017 den Nobelpreis 2017 bekommen hat. Aber die chemische Analyse ist fast gar nicht möglich. Mit unserer Methode haben wir eine Möglichkeit eröffnet diese Systeme zu untersuchen. Hier sind wir sind mit der Forschung noch ganz am Anfang, aber erste Messungen sind uns in den letzten beiden Jahren gelungen. Wir arbeiten gerade sehr hart daran weiter.

Eine andere aktuelle Frage ist zum Beispiel der Einfluss von Wasserstoff auf Metalle. Wasserstoff führt zu einer Versprödung und zum Bruch der Metalle. Ein großes Problem. Um der Ursache auf die Spur zu kommen, muss man wissen, wo genau der Wasserstoff sich im Metall befindet. Daraus kann man ableiten, welcher Prozess stattfindet und wie man ihm ggf. begegnen kann, um sichere Wasserstoffbehälter zu entwickeln. Lithium, von besondere Bedeutung in der Batterietechnologie, ist für viele Standardanalysemethoden unsichtbar. Außerdem ist Lithium sehr reaktiv und darf nicht mit der Atmosphäre in Kontakt kommen. Man würde aber gerne wissen, wo die Lithiumatome in der Batterie eingebaut werden und wie die Batterie über die Ladezyklen degeneriert. Mit unserer Innovation für die Atomsondentomographie kann man diese Untersuchungen nun leichter durchführen und bessere Ergebnisse erwarten.

Was war für Sie und Ihre Innovation besonders interessant an der Validierungsförderung? Welche Arbeiten haben Ihnen das Programm ermöglicht, die ansonsten nicht möglich gewesen wären?

Für methodische Verbesserungen und das Ausprobieren weitergehender Konzepte fehlen normalerweise die Geldmittel um komplexe Ideen zu realisieren. In der Regel können nur kleine Verbesserungen an den Instrumenten „nebenbei“ vorgenommen werden, da die eigentlichen Arbeitsschwerpunkte einen ungestörten Betrieb der Anlagen erfordern. Durch die Validierungsförderung war es möglich ein völlig neues Konzept fokussiert weiterzuentwickeln und zu erproben. Die Möglichkeit ein kleines Forschungsteam für diese eine Aufgabe zu versammeln, wäre in der üblichen Forschung absolut unmöglich gewesen.


Jedes Projekt in der Validierungsförderung hat einen Innovationsmentor oder eine Innovationsmentorin. Welche Rolle hat Ihr Mentor für Sie gespielt, insbesondere bei der Entscheidung zur Gründung?

Als Wissenschaftler ist man selten mit betriebswirtschaftlichen Aspekten betraut. Sicherlich gelingt es eine einfache Kostenrechnung aufzustellen, allerdings war es der Innovationsmentor, der auf die Nuancen eines tragfähigen Businessplans hingewiesen hat. Durch die Bestätigung des Konzepts durch den Innovationsmentor wurde eine Vertrauensbasis geschaffen.

Welche Schritte waren nach Abschluss der Förderphase entscheidend für die erfolgreiche Gründung von Inspico?

Es gab zwei wichtige Gründe, die zusammen entscheidend waren. Zum einen war es das Interesse an unserem Konzept und die recht schnelle Nachfrage nach einem Produkt aus der akademischen Forschung. Kollegen, die bisher nicht zu untersuchende Systeme neu erkunden wollten, waren von unserer Idee schnell begeistert. So kam es recht schnell zu einer Bestellung eines Mikroskops auf der Basis unseres MikroTap. Auf der anderen Seite waren es die Strukturen zur Förderung des Technologietransfers an der Universität Stuttgart und der Pool an kreativen und begeisterungsfähigen Menschen einer universitären Umgebung.

Wo sehen Sie sich und Inspico in den nächsten 2, 5 oder 10 Jahren?

Wir versuchen durch eine stetige Weiterentwicklung unsere Systeme zu verbessern. Bisher können wir Nachfragen aus dem außereuropäischen Ausland nicht bedienen, da wir über kein entsprechendes Servicenetz verfügen. Langfristig ist jedoch das Erschließen des Weltmarktes unerlässlich für eine so spezialisierte Forschungsmethode. Dafür streben wir Kooperationen mit größeren Partnern an.

Auf welche Weise brauchen Gründer nach einer erfolgreichen Validierungsphase Unterstützung?

Die Unterstützung bei der Entwicklung eines serienreifen Produktes ist entscheidend. Eine Einbindung in Gründungsnetzwerke und Programme, Kontakte mit verlässlichen Investoren und der Schutz unerfahrener „Gründungswissenschaftler“ hilft ungemein.

Welche Tipps können Sie zukünftigen Gründern für den Weg aus der Validierung mitgeben?

Beharrlich zu bleiben. Es gibt viel Gegenwind. Während man zuvor auf technische Details fixiert ist, zählen später andere Aspekte mehr, die man selbst als weniger relevant betrachtet. Aber auch Bodenständigkeit. Schnell wird man über den Klee gelobt und droht den Blick auf die Probleme zu verlieren. Ein starkes Team, dass diese Kritik aushält und sich gegenseitig ermutigt.